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Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat am 11. Dezember 2020 entschieden, dass der Straftatbestand der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstößt und daher verfassungswidrig ist. Der assistierte Suizid ist damit ab 1. Jänner 2022 in Österreich legal.

Die Tötung auf Verlangen bleibt weiterhin verboten. Ebenso die „Verleitung zum Selbstmord“.

Die Entscheidung, sich mit Hilfe eines Dritten zu töten, muss laut dem Gerichtshof, frei und unbeeinflusst getroffen werden. Um das sicherzustellen, wurde der Gesetzgeber aufgefordert bis Ende 2021 Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch vorzusehen, damit betroffene Personen ihren Entschluss zur Selbsttötung nicht unter dem Einfluss Dritter fassen.

Mehr zum Urteil des Verfassungsgerichtshofs lesen Sie hier.

Wie die Erfahrung aus Ländern, die „Sterbehilfe“ bereits legalisiert haben (Rechtslage international), zeigt, sind Kontrollmechanismen und gesetzliche Rahmenbedingungen unzureichend, um Missbrauch und vor allem den Druck auf vulnerable Personengruppen zu verhindern.

Das zentrale Anliegen im Sinne der Suizidprävention und Solidarität bleibt daher Menschen zu begleiten und nicht ihnen beim Suizid zu helfen. In Politik und Gesellschaft braucht es dafür das Bewusstsein für die Fragilität des Selbstwertgefühls, für Gefahren, die die Legalisierung des assistierten Suizids mit sich bringt und Optionen, die das Recht auf Selbstbestimmung auch abseits vom Suizid bietet.

  1. Jeder Mensch ist es wert, geschützt zu werden, egal ob krank, beeinträchtigt oder gesund. Der Wert und die Würde des menschlichen Lebens sind unveränderlich und unabhängig von jeglichen äußeren oder intrinsischen Kriterien und Umständen. Die vom Verfassungsgerichtshof geschaffene Rechtslage darf nicht dazu führen, dass Menschen ihr Leben als unwürdig oder als eine Belastung für andere betrachten und dadurch unter Druck geraten, ihre Existenz rechtfertigen zu müssen oder gar ihr Leben zu beenden.
  2. Eine Legalisierung der „Sterbehilfe“ öffnet der Kommerzialisierung des Todes Tür und Tor. Die Gegenüberstellung von menschlichem Leben und ökonomischen Interesse, sei es Profit (Sterbehilfe-Vereine in der Schweiz kommen laut Medienberichten zusammen auf einen Jahresumsatz von zehn Millionen Schweizer Franken) oder ein mit der Einführung der aktiven „Sterbehilfe“ verbundenes Einsparungspotenzial (Ökonomen in Kanada gehen davon aus, dass das Gesundheitssystem dort bereits 86,9 Mio. CAD gespart hat), widerspricht zutiefst der Würde des Menschen und ist daher kategorisch abzulehnen. 
  3. Auch ohne Zugang zu assistiertem Suizid hat jede/r in Österreich das Recht auf Selbstbestimmung. Denn jeder Patient hat das Recht, eine medizinische Behandlung abzulehnen, selbst wenn dies zu einem beschleunigten Todeseintritt führt. Im Zentrum einer palliativen Behandlung stehen die Schmerzkontrolle und die Begleitung am Lebensende. Auf nutzlose medizinische Behandlungen wird verzichtet. Für den Fall der Entscheidungs- oder Äußerungsunfähigkeit können Patienten auch im Vorhinein durch die Instrumente der Vorsorgevollmacht oder der Patientenverfügung regeln, dass ihr Wille weiter berücksichtigt wird.

Bis zum Urteil des Verfassungsgerichtshofs gab es in Österreich in Bezug auf das Lebensende einen parlamentarischen Konsens, der auf der Bejahung der Behandlungsautonomie und der Hospiz- und Palliativversorgung, sowie einer Ablehnung der Suizidbeihilfe und Tötung auf Verlangen basierte.

Diesem Konsens wurde durch den Verfassungsgerichtshof die Rechtsgrundlage entzogen. Um die negativen Folgen dieser Entscheidung zu begrenzen und so vielen Menschen wie möglich ein Sterben in Würde zu ermöglichen, muss auf die Möglichkeiten und das Angebot der Hospiz- und Palliativversorgung sowie die aus der Behandlungsautonomie entspringenden Optionen aufmerksam gemacht werden. Die Hospiz- und Palliativversorgung muss zudem flächendeckend für jeden zugänglich gemacht werden.

Zusätzlich braucht es aber auch konkrete Unterstützung in Lebens- und Sinnkrisen. Es braucht einen Ausbau der psychiatrischen, psychosozialen und psychotherapeutischen Betreuungsangebote ebenso wie einen leichteren Zugang zur persönlichen Assistenz bei Beeinträchtigungen und Pflege. 

Eine Rechtsordnung, die zwar das Recht auf assistierten Suizid einräumt, aber kein Recht auf persönliche Assistenz, psychotherapeutische Betreuung oder Palliativversorgung, kann nicht von gleichwertigen Handlungsoptionen ausgehen. Denn es ist viel leichter, jemanden zu finden, der ein Suizdpräparat besorgt, als jemanden der einem tagtäglich, vielleicht jahrelang und kostenlos dabei hilft, sein Leben zu leben. 

Was es also braucht ist Assistenz zum Leben - nicht Hilfe zur Selbsttötung.